Gedanken zum Evangelium von Sr. Christeta Hess, ADJC
Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner Lk 16, 9-14
Die Berufsbezeichnung Pharisäer gibt es nicht so oft heute. Zöllner wohl, wobei die heutigen Zöllner Staatsbeamte oder Mitarbeiter bei der staatlichen Organisation zur Kontrolle von Einfuhr und Ausfuhr wertvoller Waren sind. Aber für die Deutung des Gleichnisses geben beide Berufsgruppen heute nicht mehr so viel her wie zur Zeit Jesu.
Das Evangelium aber gilt zeitlos. Also muss es um Haltungen gehen, die damals, zur Zeit Jesu, allgemein bekannt und diesen beiden Gruppen zugeordnet waren. Pharisäer waren hochgeachtet, eine Gruppe hoch gelehrter Schriftkenner, Zöllner waren Kollaborateure der römischen Besatzungsgruppen und allgemein verachtet.
Jesus scheint diese Zuordnung im allgemeinen Bewusstsein nicht zu stören. Für ihn geht es um wesentlichere Haltungen, die auch für uns von Bedeutung sind. Der Pharisäer ist überzeugt, dass Gott ihn ebenso wertet wie die Bevölkerung seiner Zeit. Er steht im vollen Bewusstsein seines Wertes und seiner Bedeutung vor Gott und maßt sich sogar an, andere Menschen be– und verurteilen zu können, und er denkt, Gott urteilt wie er.
Der Zöllner übernimmt in ähnlicher Weise die Verachtung der anderen für ihn und seinen Beruf und ist sich sicher, dass Gott nicht viel von ihm halten kann. Darin ist er dem Pharisäer ähnlich.
Eigentlich übernehmen beide das Urteil der anderen Menschen und sehen darin auch ein Urteil Gottes. Volkes Stimme – Gottes Stimme, so sieht es aus.
Aber nicht für Jesus. Und das ist das Überraschende bei diesem Gleichnis. Und es gibt uns zu denken, denn der Text spricht sehr deutlich zu uns.
Im Religionsunterricht der Grundschule haben wir Älteren gelernt, dass unsere Kirche die allein richtige Kirche ist. Dass nur Katholiken also im Besitz der Wahrheit sind. Dass nur wir selig werden können. Es war uns – zumindest noch vor dem Konzil – bei Kirchenstrafe verboten, an Gottesdiensten anderer Gemeinschaften teilzunehmen, und man ging allgemein davon aus, dass nur Katholiken in den Himmel kommen können. Sind das nicht Haltungen, die auch dem Pharisäer entsprechen? Und wenn es gar um den Unterschied von Klerikern und Laien geht, war da nicht ganz klar, dass die Kleriker Gott wohlgefälliger und lieber waren als die „nur“ Laien? Also eine durchaus gefährliche Haltungen im Sinn Jesu im obigen Gleichnis.
Bei dem Zöllner ist das nicht ganz so offensichtlich. Mangel an Selbstsicherheit, Unterschätzung des eigenen Tuns und Gelingens, Zweifel am eigenen Gutsein, Selbstvorwürfe wegen früheren Versagens kennen wir alle, aber meist ist das kein durchgängiges Verhalten. Hoffentlich.
Es sind Momente der Dunkelheit, wenn wir aus dem Auge verlieren, einen guten Vater zu haben, der uns kennt und um unser Bemühen weiß, auch wenn es nicht zum Erfolg führt.
Vor diesem unserem Vater, der uns geschaffen hat, uns kennt und liebt, aber ist es unangemessen und irgendwie auch schlimm, sich aufzuplustern und so zu tun, als habe man Gott in der Hand und könne für ihn entscheiden, was er von uns hält und wie er uns einschätzen muss. Da kann der Mensch nur die eigene Kleinheit wahrnehmen und Gottes Größe anerkennen. Was Jesus uns im Vaterunser gelehrt hat, muss dann für uns dazukommen: Gott ist Vater, er kennt uns ganz, und er liebt uns. In diesem Vertrauen dürfen wir leben, mit allen Schwächen, die wir haben, aber auch mit der Gewissheit, dass Gott nicht urteilt wie fehlbare Menschen.
Sr. Christeta Hess ADJC