Wenn dieser Tage von „Heiligen“ die Rede ist, lohnt es, sich an Papst Johannes Paul II. zu erinnern. Während seines Pontifikates erklärte er 1.268 Frauen und Männer zu Seligen und weitere 483 zu Heiligen – mehr als seine Vorgänger (bis 1588) zusammen! Übrigens hat die katholische Kirche (eine Freundin von Heiligenverehrung) in den zweitausend Jahren ihrer Geschichte über 7.000 Verstorbene zu den Altären „der Heiligen erhoben“ und damit zur „offiziellen Verehrung freigegeben“.
Meine Heiligen (das sind vor allem meine verstorbenen Eltern und einige verstorbene Freundinnen und Freunde) stehen nicht im Heiligenkalender, was nicht schlimm ist, trotzdem bin ich mit ihnen in regem innerem Kontakt, bete zu ihnen, unterhalte mich mit ihnen und hoffe, dass sie bei Gott sind und dass sie mir am Ende meiner irdischen Pilgerschaft einen Platz im Himmel bereithalten. Ob sich meine kindlichen und naiven Vorstellungen von Himmel und Heiligen bewahrheiten, sei einmal dahingestellt. Solange ich auf Erden bin, ist mir nicht mein Leben nach dem Tod, sondern jenes vor dem Tod wichtig.
Was danach kommt, liegt, denke ich, bei Gott („Gott sei Dank!“) und wie es dann sein wird, übersteigt meine Vorstellungskraft. Ich vertraue naiv darauf, dass es am Ende gut wird, was auch immer das heißen mag.
Vielleicht sollte man wegen all der „himmlischen Unsicherheiten“ heute nicht nur an Heilige oder an ein Leben nach dem Tod denken, sondern sich überlegen, was einem hier und jetzt – in dieser Welt – heilig (d.i. mehr als nur wichtig) ist? Ist es die Familie, sind es die Kinder, ist es ein besonderer Mensch, ein wichtiges Ereignis, eine tiefe Erfahrung, ist es ein bestimmtes Lebensgefühl, ein besonderes Andenken oder… oder… oder Gott oder alles zusammen und noch mehr?
Vor Jahren gab es eine Umfrage zum Thema, was den Leuten heilig wäre. Die meisten antworteten, wenn ich mich recht erinnere, dass sie Wurzeln haben, mit anderen Worten irgendwo (Familie, Freundeskreis) hinzugehören; anderen war es heilig, einen Namen zu haben, also nicht nur eine austauschbare Nummer zu sein; und wieder andere entschieden sich dafür, sich frei entfalten zu dürfen, sagen zu können: „Ich tue, was ich wirklich will und nicht allein das, was ich soll!“
Wenn Sie mich fragen, was mir heilig ist, antworte ich Ihnen gern (jetzt wird’s persönlich!): „Heilig ist mir mein Leben mit all seinen Facetten, seinen unvergessenen Begegnungen, seinen einmaligen Erfahrungen, seinen wichtigen Erkenntnissen… Dazu gehören zum einen all die Dinge, an die ich mich gern erinnere, und dazu zähle ich u.a. auch meine schmerzhaften Erfahrungen wie Scheitern, Schuld und Versagen.
Kurz! Alles gehört zu meinem Leben und ist mir heilig: Licht und Schatten, Freude und Schmerz, Gewinn und Verlust, Scheitern und Neuanfang, Versuch und Irrtum. Wann immer ich innehalte und nachdenke, bin ich überrascht, welch reiches Leben ich führen durfte mit seinen vielen Wachstumschancen und auch mit den nicht weniger häufigen Wachstumsschmerzen! Darum ist mir mein gelebtes Leben heilig – heilig und nicht nur wichtig!
In diesem Sinne grüßt Sie Ihr Friedhelm Fuest
Impuls: Unterbrechung am Mittwoch
Herausgeber: Caritasverband für die Diözese Osnabrück e. V., Knappsbrink 58, 49080 Osnabrück, www.caritas-os.de Die Autor*innen erreichen Sie über: Roland Knillmann, 0541 34978-151, rknillmann@caritas-os.de