Tröstet, tröstet mein Volk…
Lesung zum 2. Advent Lesejahr B aus dem Propheten Jesaja -Jes 49,1-5,9-11
1 Tröstet, tröstet mein Volk, / spricht euer Gott.[1]
2 Redet Jerusalem zu Herzen und ruft ihr zu, dass sie vollendet hat ihren Frondienst, / dass gesühnt ist ihre Schuld, dass sie empfangen hat aus der Hand des HERRN Doppeltes / für all ihre Sünden!
3 Eine Stimme ruft: / In der Wüste bahnt den Weg des HERRN, ebnet in der Steppe eine Straße / für unseren Gott!
4 Jedes Tal soll sich heben, / jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, / und was hüglig ist, werde eben.
5 Dann offenbart sich die Herrlichkeit des HERRN, / alles Fleisch wird sie sehen. / Ja, der Mund des HERRN hat gesprochen.
9 Steig auf einen hohen Berg, / Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, / Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! / Sag den Städten in Juda: / Siehe, da ist euer Gott.
10 Siehe, GOTT, der Herr, kommt mit Macht, / er herrscht mit starkem Arm. Siehe, sein Lohn ist mit ihm / und sein Ertrag geht vor ihm her.
11 Wie ein Hirt weidet er seine Herde, / auf seinem Arm sammelt er die Lämmer, an seiner Brust trägt er sie, / die Mutterschafe führt er behutsam.
Betrachtung zu Jesaja 40,1-5.9-11
Die Zeit des Advent ist eine Zeit der Prophetie. Die kirchlichen Lesungen im Advent stellen deshalb die biblischen Propheten, insbesondere den Prophet Jesaja in den Fokus.
Den zeitgeschichtlichen Hintergrund des Jesaja-Textes vom zweiten Adventssonntag bildet die fundamentale Krise, die im Volk Israel durch die Vertreibung ins Exil entstanden war. Der Verlust ihrer Heimat setzte den Menschen zu, sie drohten, ihre Identität zu verlieren. Das stürzte sie in tiefe Trauer, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit. Sie saßen in der Fremde fest, entrechtet, unterdrückt, ohnmächtig, ihrer Feste und Lieder beraubt, ohne Aussicht auf eine Besserung der Lage.
Von einer fundamentalen Krisenzeit lässt sich auch in unserer Gegenwart reden – Klimakatastrophe, Kriege in der Ukraine und Nahost, Aushöhlung der Demokratie sind nur einige Stichworte.
Was hat der Prophet uns da noch zu sagen? Durchhalteparolen einhämmern? Appelle verkünden, Vorhaltungen machen?
Nichts von dem macht der Prophet. Er sammelt eine Gruppe wacher, prophetischer Menschen um sich, die noch nicht aufgegeben haben, und ruft ihnen zu: „Tröstet, tröstet mein Volk!“
Nichts wünscht man sich in dunklen, krisengeschüttelten Zeiten mehr als Trost. Und gleichzeitig ist es so schwer, wirklich Trost zu erfahren. Trost ist mehr als eine wohlige Naivität, die ausdrückt: „Es wird schon alles wieder gut werden.“
Wie kann also Trost, der wirklich hilft, aussehen? Ein Spaziergang in der Natur? Musik hören? Eine Kerze in einer Kirche anzünden? Sich beim Sport richtig auspowern? Was tröstet ganz persönlich?
Zum Trost gehört die Hoffnung. Trostworte sind Hoffnungsworte. Zur Hoffnung gehört, sich bewusst zu machen, zu welch einer Zeit und an welchem Ort auf der Welt lebe ich.
Diktaturen geben den Menschen eine ganz bestimmte Vorstellung von Zukunft vor. Die Demokratie hingegen verspricht nichts, außer dass man Einfluss haben kann. Etwa durch Aktivismus, indem man sich engagiert und wählen geht, mit anderen Menschen in Austausch kommt oder seinen persönlichen Lebensstil ändert. Zur Hoffnung gehört, sich nicht nur mit den schlechten Nachrichten zu konfrontieren, sondern zu begreifen versuchen, dass es gleichzeitig Menschen gibt, die in dem Moment schon etwas dagegen tun.
Der biblische Prophet setzt noch einen ganz anderen Akzent und bringt eine neue Perspektive: „Seht, Gott, der Herr, kommt mit Macht.“ Er erhofft sich die Initiative Gottes und erwartet sein Kommen. Vom biblischen Glauben her handelt Gott in der Geschichte und ermöglicht dem Volk Israel eine neue Zukunft.
Damit hat der Prophet den Zielpunkt genannt, die Wendung zum Guten. Doch seine Botschaft ist noch nicht an ihr Ende gekommen. Es geht ihm um mehr. Weil Gott kommt und seine Herrlichkeit sichtbar machen will, gilt es, sich jetzt darauf einzustellen. Jetzt ist es vor allem wichtig, die Hindernisse zu beseitigen, die Gottes Kommen im Wege stehen. Diese Hindernis–Beseitigung macht der Prophet mit einem anschaulichen Bild klar, dem Bild des Landschaftsumbaus. „Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße! Was krumm ist, soll gerade werden, und was hügelig ist, werde eben!“
Gutes weiterzusagen und Hoffnung verbreiten – darum geht es. Man sollte die weltverändernde Wirkung dieser Haltungen nicht unterschätzen!
Wir müssen alles erwarten – auch das Gute!
Helene Dieckmann-Hoffmann
Hubert Hoffmann