Was ist Gott? Wie ist Gott? Wie handelt Gott?
Auch wenn diese Fragen für den Glauben wesentlich sind, spielen sie im Alltag oft kaum eine Rolle. Vielleicht ist die Fastenzeit eine Gelegenheit, die Kernfrage nach dem Gottesbild einmal in die Mitte zu stellen.
Die Lesung aus dem Alten Testament vom dritten Fastensonntag bietet eine Möglichkeit dafür. Der Text ist sehr bekannt; Vielleicht sogar so bekannt, dass man gar nicht mehr genau hinhört und nichts Neues erwartet. In Wirklichkeit ist er aber so vielschichtig, dass es gar nicht möglich ist, ihn vollständig zu erklären.
Es beginnt mit dem Dornstrauch, der brennt, aber nicht verbrennt. Der Text handelt von der Berufung Moses zum Anführer Israels und zielt auf den Auszug aus Ägypten.
In mehreren Anläufen stellt Gott sich selbst vor. Gott sagt zu Mose:
„Ich bin die Gottheit deiner Vorfahren, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ (Ex 3,6)
Damit ist gemeint: Ihr kennt mich. In der Vergangenheit hat deine Familie schon Erfahrungen mit mir gemacht. Deine Vorfahren haben erlebt, dass ich sie gerufen, begleitet und gerettet habe.
Als Nächstes geht es um Israels Situation in Ägypten:
„Ich habe das Elend meines Volkes in Ägypten gesehen und ihre laute Klage über ihre Antreiber habe ich gehört. Ich kenne sein Leid.“ (Ex 3,7)
Gott ist also nicht nur eine Größe aus ferner Vergangenheit, sondern wichtig für die Gegenwart. Augen und Ohren sind aufmerksam für die Unterdrückten.
Doch dabei bleibt es nicht. Die Folge der Wahrnehmung ist Gottes befreiendes Handeln.
„Ich bin herabgestiegen, um es der Hand der Ägypter zu entreißen und aus jenem Land hinaufzuführen in ein schönes, weites Land, in ein Land, in dem Milch und Honig fließen…“ (Ex 3,8)
Gott kündigt Rettung und Befreiung an. Hier geht es um die Zukunft, eine Zukunft unter dem Vorzeichen von Freiheit und Sorglosigkeit. Gott verspricht Mose: „Ich werde mit dir sein.“
Mose fragt nach dem Namen Gottes. Dabei geht es nicht zuerst um die Nennung des Namens, sondern um die Bedeutung.
Die Antwort ist eine Zusammenfassung der Aussagen über Gott in den Versen davor. Sie ist sprachlich und inhaltlich ziemlich schwierig. Bleibt man ganz nah am hebräischen Urtext, könnte man übersetzen: „Ich werde sein, der/die/das ich sein werde.“ Während es im Deutschen je nach Fall und Geschlecht sieben verschiedene Formen des Relativpronomens gibt, kennt das Hebräische nur ein einziges Wort. Das hebräische Relativpronomen ist gewissermaßen geschlechtsneutral. Da man auch bei „Ich werde sein.“ nicht erkennen kann, ob die sprechende Person weiblich oder männlich ist, bleibt das grammatische Geschlecht der Gottheit offen. Man weiß nicht, ob es „der“, „die“ oder „das“ ist.
Das ist aber nicht das einzige, das hier nicht eindeutig ist. Seit Jahrtausenden ist umstritten, ob das „ich“ künftig sein wird oder jetzt schon ist. Für beide Sichtweisen gibt es gute Argumente. Wenn schon in den Versen davor alle Zeiten von Vergangenheit bis Zukunft anklangen, könnte diese Uneindeutigkeit pure Absicht sein. Das gewählte Wort beinhaltet Bewegung und Dynamik. Es ist also kein unbewegtes, unveränderliches Sein gemeint. „Ich werde sein.“ steht auch an anderen Stellen in Verbindung mit Gottes Hilfe und Unterstützung. Es beinhaltet also das Mit-Sein Gottes, ja, das Da-sein-für-euch.“ Dieser Name ist eine Zusage, ein Versprechen, keine Definition. Er enthält das gleiche Programm wie der Name „Immanuel.“ „Gott ist mit uns.“
Eine biblische Antwort auf die Frage: „Wer ist Gott?“ lautet also „Ich werde sein für Euch.“ Gott hat die Eigenschaft für Menschen da zu sein, für Mose, für sein Volk, für dich und für mich. Gott zeigt sich im Dasein-für, in Beziehung. Diese Eigenschaft ist so wesentlich, dass sie als Gottes Name verstanden werden kann.
Eleonore Reuter